In Single-Zeiten überlegt man sich irgendwann andere Möglichkeiten, jemanden kennenzulernen, wenn man schon nicht im Supermarkt gleichzeitig mit dem Seelenverwandten nach der selben Packung TK-Spinat greift. Zack, Boom, und sie lebten glücklich bis ans Ende Ihrer Tage…
Ich habe also ganz klassisch Dating-Apps ausprobiert, Tinder, Bumble, OkCupid und Co. mal mehr, mal weniger enthusiastisch betrieben. Dabei gab es einige wiederkehrende Muster in Bezug auf (meinen) runden Körper, über die ich schreiben möchte. Und ich rede jetzt nicht von Dickpics. Die gab es auch, aber das ist wohl ein Thema für einen ganz eigenen Blog.
Was man grundsätzlich sagen kann: Ich habe mir irgendwann ein sehr dickes Fell zugelegt, denn Online-Dating ist meiner Ansicht nach nur etwas für wirklich gefestigte, in sich ruhende und selbstbewusste Persönlichkeiten. Ich kenne auch Paare, die sich online gematcht haben und es wurde das große Happy End, aber ich kenne viel mehr Horror-Stories und in einigen war ich unfreiwillige Protagonistin.
Alle Plattformen, egal, wie sehr sie betonen, es ginge um die Persönlichkeit, sind oberflächlich. Und natürlich lädt man selbst Fotos hoch, die einen im bestmöglichen Licht zeigen. Die Oberflächlichkeit ist nachvollziehbar, in einer Bar als DEM klassischen Flirt-Beispiel spricht man ja auch eher jemanden an, der einem auf den ersten Blick optisch gefällt. Als runde Frau trage ich den offensichtlichen „Makel“ schon mit mir herum, ich bin eben nicht schlank. Ich bin rund, muskulös und eher kompakt. Das sieht man auch auf Bildern, selbst wenn ich einen Aufnahmewinkel und ein Outfit wähle, die mich sehr viel dünner aussehen lassen. T. kennt solche Bilder, allerdings schicke ich ihm viel lieber die ungestellten, authentischen Versionen. 🙂
Meine bloße Existenz zog schon die absurdesten Kommentare an, es ergaben sich die seltsamsten Situationen und es gab nicht nur einmal sehr widerliche und schmerzhafte Erlebnisse. Obwohl ich kein Fan von Schubladen-Denken bin, habe ich die folgenden Gruppen identifiziert. Mit ein bisschen Abstand zu dem ganzen Zirkus fällt mir das leichter, denn seit einigen Monaten nutze ich diese Plattformen nicht mehr. Das entspricht natürlich meiner rein subjektiven Wahrnehmung, die nur auf anekdotischer Evidenz beruht, aber hey, irgendwo muss man ja anfangen.
Gruppe 1: Die Fat-Shamer
„Ih, mit ner Fetten will ich nicht!“ oder „Oh, sorry, Du bist gar nicht mein Typ, ich stehe nur auf dünne Frauen. Das Match war ein Versehen!“, sind da noch die harmlosere Variante. Wieso man dann überhaupt matcht, bleibt mir ein Rätsel, aber es gibt ja auch Leute, die Hasskommentare auf Facebook schreiben. Wenn das Match nicht direkt aufgelöst wurde, habe ich das gerne ausführlich kommentiert, denn auch von irgendeinem Tinder-Ingo lasse ich mich nicht niedermachen. Andere Varianten: „Du hast echt ein hübsches Gesicht, aber…“. An meinem Körper gibt es kein Aber. So redet niemand über ihn. Ende der Diskussion.
Vor dem Match kann man diese Exemplare manchmal durch Ihre Profilbeschreibung erkennen, denn da schreiben sie direkt und unverblümt, dass sie auf schlanke, sportliche Frauen stehen, manchmal geben sie sogar ein Höchstgewicht an oder haben die klare Forderung: „Bitte sei nicht adipös, ich will dich über die Schwelle tragen können“. Ob sie jedoch eine Frau finden, die 15 Kilo wiegt? I doubt it. 😉
Gruppe 2: Die heimlichen Fans
Der Chat fängt meistens harmlos an, wird dann schnell flirty. Insbesondere vermeintliche Komplimente sind Teil des Gesprächs, kombiniert mit einem Fragenhagel über Vorlieben und wann das „letzte Mal“ denn gewesen sei. Es mutet immer ein bisschen an, als verstünden sich diese Männer als Retter der Dicken, denn schließlich kann das ja sonst niemand gut finden. Ein persönliches Treffen wird sehr schnell angepeilt, was sich grundsätzlich gut finde, denn es muss ja auch im echten Leben passen. Wenn ich einen öffentlichen Ort vorschlage, dann kommt von Gruppe 2 meistens ein Gegenvorschlag, man könnte ja auch ganz gemütlich Zuhause einen Wein trinken und was kochen. Schöne Idee, aber nicht beim ersten Date, das lernt man recht schnell. Manche sind dann direkt beleidigt und brechen das Ganze mit großem Getöse ab, man könnte sich ja vertrauen. Die anderen lassen sich widerwillig drauf ein oder der Kontakt schläft ein. Kommt es doch zu einem Treffen, sind sie plötzlich ganz kleinlaut oder es ist relativ schnell klar, dass daraus nichts Ernstes wird, sondern das auf einem rein sexuellen Interesse beruht. Das ist ok, wenn beide mit offenen Karten spielen, und zugegebenermaßen hat es manchmal viel zu lange gedauert, bis ich das verstanden habe. Weitere Treffen finden eher heimlich statt, bloß nicht in der Öffentlichkeit, so groß ist das Selbstbewusstsein dann doch nicht. Oft prahlen diese Männer damit, dass Ihre Ex ja Model sei, so schlank und so krass hübsch, aber Ihnen das ja nicht so wichtig sei, „echte Frauen“ mit Kurven gefielen Ihnen ja eigentlich besser. Als ob sie mir als der runden Frau noch mehr zu verstehen geben, dass ich dankbar und glücklich sein kann, in Anbetracht der Konkurrenz, die auch um dieses Premiumexemplar Mann buhlt. Ich habe über die Zeit einen Satz identifiziert, der die Gruppe 2 entlarvt, er fällt meistens recht früh in der Konversation: „Und, was suchst Du hier so?“ Sie vergewissern sich, dass sich hier bloß nicht verliebt wird und wenn es emotionale Befindlichkeiten geben SOLLTE, können sie sich schnell auf den Standpunkt zurückziehen, dass sie das ja von Anfang an gesagt hätten, eigentlich nur „alles auf sich zukommen lassen zu wollen“. Während des Kontakts geht es oft um Körperlichkeit, häufig um (meinen runden) Körper und es gefällt Ihnen ganz offensichtlich sehr gut, das sagen sie direkt. Manchmal wirkt diese Begeisterung wie eine Besessenheit auf mich, weil es nur noch darum geht. Ich bin rund, aber ich bin mehr als das und wenn ich das Gefühl habe, letzteres wird irrelevant, habe ich keine Lust mehr. Irgendwann bricht der Kontakt (abrupt) ab, sie tauchen unter und sind nicht mehr zu erreichen. Ghosting ist ein großes Problem in der schnelllebigen Dating-Welt und egal, wie selbstbewusst man ist, es ist immer eine sehr unangenehme Weise, abserviert zu werden.
Gruppe 3: Die heimlichen und vergebenen Fans
Eigentlich sind sie genau wie Gruppe 2, aber vergeben. Und nein, wir reden hier nicht über eine offene Beziehung, wir reden hier von Betrug. Sie möchten gerne mal was ausprobieren, auch mal „mit ner Dicken“ schlafen und stehen da vielleicht schon sehr lange drauf. Online findet sich viel leichter und heimlicher jemand. Plötzlich ergibt alles Sinn, die verhaltenen Antworten, die sporadischen Treffen, die Ungereimtheiten. Woher ich das so genau weiß? Nun, ich habe es manchmal später herausgefunden oder direkt gefragt und es dann kleinlaut bestätigt bekommen. Autsch, für die Partnerin und mich.
Gruppe 2 und 3 haben übrigens noch eines gemeinsam: In sehr vielen Fällen melden sie sich wieder, manchmal Jahre später. Wollen anknüpfen und geloben Besserung. Sind frisch getrennt und wollen es nochmal versuchen, weil sie es nicht vergessen konnten, „was wir hatten“. Ich weiß mittlerweile, dass das nichts mir mit zu tun hat, nichts daran schmeichelhaft ist und ich niemanden brauche, der meinen Wert erst viel später erkennt.
Gruppe 4: Die ehrlichen Fans
Es gibt auch Männer, die kein Geheimnis daraus machen, auf dicke Frauen zu stehen, das auch öffentlich zeigen wollen und sich nicht nur heimlich dazu bekennen. Das finde ich sehr gut. Wir alle haben Präferenzen, stehen auf den ein oder anderen Fetisch und haben gelernt, was uns bewegt und was nicht. Wenn jemand klar kommuniziert, bin ich ein großer Fan davon, schließlich ist das die Ebene für all das, was kommt, wenn man sich kennenlernt. Daran ist nichts verkehrt oder verwerflich, ich bin nunmal eine runde Frau, einen Partner zu haben, der das gut findet: yes, please! Man trifft solche Männer eher selten, manchmal haben sie in der Bio schon einen Hinweis versteckt.
Wenn ich mir eines für runde Frauen wünschen könnte, dann bitte mehr Männer wie in Gruppe 4, wertschätzende Absagen und Respekt, denn Dating bedeutet immer, auf Menschen zu treffen, mit Gefühlen, Ängsten und einer Seele, die nicht durch zwei mal falsch gewischt gebrochen werden darf.
Und was habe ich daraus gelernt?
Ich schreibe das auf, weil es vielen Menschen so geht, egal ob sie rund sind oder aus anderen Gründen nicht der Norm entsprechen. Ich weiß, dass viele Menschen wirklich fies sind, wenn sie sich anonym wähnen. Dass Menschen schamlos lügen und dass sie sich die absurdesten Geschichten ausdenken, anstatt ehrlich zu sein. Ich habe gelernt, dass viele, vielleicht sogar die meisten Menschen, nicht zu mir passen und dass das okay ist. Für mich ist es wichtig, darüber zu sprechen, denn lange Zeit waren mir diese Geschichten peinlich und ich dachte, dass es ja nur an mir liegen könne. Schließlich hatten alle Matches eine Sache gemeinsam: Mich! Das Narrativ in meinem Kopf war also, dass ich auch das Problem bin.
Ich weiß mittlerweile, dass ich niemanden dazu zwingen kann, in meinem Leben zu bleiben, indem ich besonders unkompliziert bin oder mein Allerbestes gebe, immer im besten Licht zu erscheinen. Damit ist Schluss, das gilt für alle Beziehungen in meinem Leben, seien es Freundschaften oder Liebesbeziehungen: Wer in meinem Leben eine Rolle spielen möchte, ist herzlich eingeladen. Come as you are!