Author Archives: Isa

Sag mal I., wärst Du manchmal lieber dünn?

In der Juristerei gibt es eine globale Antwort, die auf alle Sachverhalte immer passt: Das kommt darauf an!

Es gibt Tage, die kennen wir sicher alle, da wären wir lieber ganz langweilig, durchschnittlich und unauffällig. Da gingen wir lieber unbeschaut, unbemerkt und unkommentiert durchs Leben und abends wüsste niemand, dass er uns begegnet ist. Obwohl ich sehr selbstbewusst bin, habe ich manchmal auch solche Tage.

Das hat meistens nichts per se mit meinem Körper zu tun, vielmehr mit einer allgemeinen Seelenlage, bitte heute doch unsichtbar zu sein.

Wenn man dann in einem Körper wohnt, der nicht der gängigen Norm entspricht, rund ist und somit manchmal betrachtet wird, dann wünscht man sich Belanglosigkeit und dass niemand an der runden Form Anstoß findet und das äußert.

Vor einigen Jahren hätte ich die eingangs gestellte Frage in jedem Fall mit einem lauten JA beantwortet, weil ich zu diesem Zeitpunkt kein gutes Verhältnis zu meinem Körper hatte und ALLES dafür getan habe, dünner zu werden. Der Preis, den ich dafür zahlte, war hoch: meine mentale Gesundheit. Ich war besessen davon, was ich als nächstes (nicht) esse, wie oft ich noch Sport mache und wenn ich bei FreundInnen eingeladen war, wurde ich nervös, wie ich wohl den Versuchungen aus dem Weg gehen kann oder wie ich noch die nächste Sporteinheit reinknallen kann, um die Auswirkungen von den achso bösen Kohlenhydraten gering zu halten. Ich las Fitness-Blogs, hörte Fitness-Podcasts, eine App sagte mir genau an, wie unfassbar faul ich sei und wie viele Schritte mir noch zum persönlichen Glück fehlten. Sport machte mir schon Spaß, aber ich wählte die Workouts auch immer nach den verbrannten Kalorien aus. Stretching? Ein Spaziergang? Zählt nicht. Du bist krank? Zählt nicht!

War ich damals schlanker? Ja! War ich damals glücklich? Ich war nie unglücklicher als in diesen Hochphasen meines Fitness-Wahns. Die vermeintlich lieb gemeinten Komplimente und Beglückwünschungen taten weh, ich verstand erst später, warum: Wenn die Leute wüssten, wie es mir geht, würden sie mich dazu nicht beglückwünschen, denn ich war niemals trauriger und leerer als in diesen Zeiten. 

Es dauerte bis zu meinem 30. Lebensjahr, bis mir der wichtigste Schritt wie Schuppen von den Augen fiel: damit aufzuhören. Mich nicht mehr zu bekriegen. Die Friedensverhandlungen mit meinem Körper dauerten lange, und es gab Rückschritte. Aber wir haben es geschafft, wir sind zufrieden. Wir sind stark. Wir sind ein Zuhause für meine Seele. 

Ich kann daher heute mit Stolz sagen: Nein, ich wäre nicht lieber dünn. Ich mag meinen runden Bauch, meinen großen Po und meine starken Arme. Ich bin nicht bereit, meine mentale Gesundheit aufzugeben, um eine kleinere Hosengröße zu haben. Ich nehme den Platz ein, der mir zusteht und das gefällt mir richtig gut. Schaut mich ruhig an. Ich möchte stärker und muskulöser werden, aber nicht dünner, und ich möchte mich nie mehr so hassen wie die meiste Zeit meines Lebens. 

Heute ist Silvester. Wenn Ihr also Vorsätze habt, abzunehmen, keine Kohlehydrate mehr zu essen, jeden Tag einen Marathon zu laufen und auch sonst endlich ein guter Mensch (Achtung, Ironie) zu werden, dann überlegt bitte auch, wie Ihr Eure psychische Gesundheit dabei pflegt. Ihr seid genau richtig und Euer Wert hat nichts mit Eurem Gewicht zu tun. Wenn Ihr Euren Körper verändern wollt, ist das ok, denn es ist Euer Körper. Aber ihr MÜSST das nicht. 

Wir wünschen Euch einen guten Start ins neue Jahr und bitte, genießt Euer Silvester-Menü und denkt nicht, dass es nun “das letzte Mal” ist. Ihr dürft auch 2023 leckeres Essen genießen, dürft den Sport ausfallen lassen und ihr müsst Euch nicht optimieren. Ihr dürft einfach sein. Und das ist gut. 

In diesem Sinne: Fatty new year!

Rund an Weihnachten – Serviervorschläge für die gängigen Sprüche

Weihnachten, das Fest der Liebe und des unverschämten Bodyshamings. Vielleicht liegt es daran, dass keine Feierlichkeit so sehr mit brachialer Völlerei verbunden ist wie Weihnachten, vielleicht liegt es daran, dass die bucklige Verwandtschaft sich auch in diesem Jahr nicht mit Körperinklusivität und übergriffigem Verhalten auseinandergesetzt hat, wasauchimmer: Wenn mal wieder Sprüche kommen, die Dich verletzen oder wütend machen, ist es hilfreich, vorbereitet zu sein. 

In diesem Sinne: 

Frisch, fettig und heiß wie die Weihnachtsgans sind auch unsere kleinen Ratschläge fürs Fest.

Frohe Weihnachten von uns, lasst Euch nicht ärgern und bleibt so, wie Ihr möchtet, denn Ihr seid genau richtig!

“Oh, Du hast aber zugenommen!”

Ja, und? Was möchtest Du damit sagen? Wenn Du nicht aufpasst, esse ich auch Dich auf, ich bin nämlich noch lange noch nicht satt!

“Möchtest Du das alles noch essen?”

Ja, sonst hätte ich es nicht auf dem Teller. Es werden jeden Tag tonnenweise Lebensmittel weggeworfen, da möchte ich nicht mitmachen. Es ist aber noch etwas da, soll ich Dir auch etwas reichen? Ich fände es gut, wenn alle auf ihrem Teller bleiben und nicht kommentieren, was andere essen, ok?

“Oh Gott, ich werde immer so fett an Weihnachten, ekelhaft!”

Ich finde es schade, dass Du das leckere Essen nicht genießen kannst, für das sich viele Leute richtig Mühe gegeben haben. Wenn Du es nur mit Deinem Gewicht verbindest, hast Du daran ja keine Freude. Wenn Dir Bewegung ein Bedürfnis ist, kannst Du das ja sicher in Deinen Tagesablauf einbinden. Weihnachten sind nur drei Tage und fett werden ist nicht das Schlimmste, was einem Menschen passieren kann. 

“Hast Du Vorsätze fürs neue Jahr? Abnehmen oder so?”

Wieso fragst Du mich das? Ich finde das eine sehr unangenehme und übergriffige Frage. Ich habe keine Vorsätze, außer mehr darauf zu achten, wie ich mich meinen Mitmenschen gegenüber verhalte. Ich fände es schön, wenn Du da auch etwas an Dir arbeiten würdest, denn ich möchte nicht verletzt werden. 

“Wenn Du so weiter machst, dann…bekommst Du Diabetes/kriegst keine*n Partner*In ab, sind/Gelenkprobleme vorprogrammiert…”

Bin ich etwa nicht liebenswert, so wie ich aussehe? Das ist schade, dass Du so denkst, ich bin nämlich genau gleich viel wert, egal wie viel ich wiege. Ich weiß, dass Du Dir Sorgen machst, aber es geht Dich nichts an, weil es mein Körper ist. Ich bin zufrieden und wenn ich das nicht bin, dann ändere ich das, aber ohne meinen Körper zu hassen. Mal abgesehen davon ist ein dünner Körper kein Garant für Gesundheit. Daher bitte ich Dich, auch keine Vermutungen anzustellen.

Problematische Geschenke wie eine ungefragte Fitnessstudio-Möglichkeit, eine Fitness-Uhr mit dem *Zwinker-Winker*-Hinweis, dass man damit abnehmen kann oder ein Sportgerät…

Was möchtest Du mir mit dem Geschenk sagen? Schade, dass Du dafür Geld ausgegeben hast und ich hoffe, Du hast den Kassenbon noch, ansonsten freut sich sicher jemand anderes darüber. Ich habe mir das nicht gewünscht und habe dafür auch keine Verwendung, ich finde es auch sehr anmaßend. Wenn ich so etwas brauche, dann kaufe ich mir das selbst. Nimm es bitte wieder mit!

Darf man als dicker Mensch überhaupt Ansprüche bei der Partnerwahl stellen?

Schon wieder Störgefühle. Was soll das denn? Ansprüche, hat die nicht jeder Mensch gleichermaßen? Und darf man die nicht immer stellen?

Nein, in manchen Bereichen wird da ein Unterschied gemacht. Als runde Frau stellt die Partnerwahl einen solchen Unterschied dar. Ich schreibe hier übrigens in der männlichen Form, da ich als heterosexuelle Frau bisher nur Partner gesucht habe.

Ich möchte hier zwei Ebenen beleuchten, die Erste ist die Partnersuche an sich. Egal, wo man jemanden kennenlernen möchte, es sind zunächst Oberflächlichkeiten, die den ersten Blickkontakt oder das erste Gespräch herstellen. Egal, ob bei Tinder & Co. oder im echten Leben. Und ja, man sieht eben direkt, dass ich rund bin. Ich kann mittlerweile sehr genau sehen, wie mich ein Mann ansieht und ob er sich traut, “die Fette” anzusprechen, die ihm eigentlich gut gefällt. Ich bin ja auch nicht nur rund, ich bin schlau, lustig und eloquent. Weiß er aber halt nicht, wenn er sich nicht traut. 

Und wenn er sich getraut hat, wir nen guten Abend hatten, dann folgt das, was ich immer die “After Date Depression” nenne. Meldet er sich nochmal oder werde ich direkt blockiert und geghostet? Und natürlich kann ich keine Gedanken lesen, aber ich glaube, es liegt am Ende doch an dem Fakt, dass ich rund bin. “Was hattest Du an?”, fragen Freund*Innen oft. Hoffentlich etwas, was kaschiert, höre ich. Und ja, oft habe ich wirklich den Eindruck, dass meine Datepartner der Mut verlässt. Das Interesse ist da, sie wären auch an einem sexuellen Abenteuer interessiert, aber für mehr bitte dann doch wieder eine schlanke Frau. Da sitzt der Blockierfinger lockerer als die ehrliche Antwort, dass es nicht passt. 

Die zweite Ebene ist die Ebene, wenn das Umfeld tolle Partnervorschläge hat, ungefragt natürlich. “Hey, kennst Du XY, der ist auch Single!” Die bloße Abwesenheit einer Partnerschaft muss dann bitte auch schon ausreichen, dass ich in Wallung gerate. Wenn ich kein Interesse bekunde, wird nachgefragt: Wieso, weshalb, warum, der ist doch total nett! Oftmals sind es, mit Verlaub, auch einfach wirklich keine geeigneten Vorschläge, einzig und allein die Verfügbarkeit ist das Kriterium. Meine Meinung dazu? Zweitrangig, stell Dich bitte nicht so an.

“Komm, ich tindere mal für Dich!”, als ob mein Liebesleben eine Runde Candy Crush wäre. Die Erwartungshaltung, dass alle Matches jetzt natürlich das große Los sind, schwingt immer mit. Ganz selbstverständlich werden mein Profiltext und meine Bilder auseinandergenommen. Sieht man denn, dass ich rund bin? Oder erschrickt der arme Kerl, wenn er mich das erste Mal sieht? 

Ich bin es leid, denn es schwingt immer mit, dass ich doch bitte nicht zu hohe Ansprüche haben soll, wenn ich schon diesen defizitären Körper mit in eine Beziehung bringe. (Ironie off)

Ich kann aber selbst sehr gut entscheiden, wer zu mir passt. Aktuell bin ich nicht auf der Suche, aber wenn das mal wieder der Fall sein sollte, erinnere ich mich an ein wunderschönes Internetzitat: “If I’m too much, then go find less!”

In diesem Sinne: Mein Körper ist nicht das Problem, es sind die Gedanken, die sich andere darum machen. 

Wer wir sind und warum es diesen Blog gibt

Schön, dass Du angekommen bist!

Unterschiedliche Körperbilder und das eigene Körpergefühl sind Themen, die uns beide schon seit Jahren beschäftigen. Bis vor kurzem aber ohne, dass wir darüber voneinander wussten. Als wir anfingen, uns darüber intensiv auszutauschen, wurde schnell klar: Wir möchten das teilen, was wir denken und fühlen. Wir sind an unterschiedlichen Punkten unserer Körperreise, die jeweils geprägt waren von Zweifeln, Scham und dem Gefühl, nicht richtig zu sein. Wir haben viel gelernt, gefühlt und vor allem: Wir finden immer mehr heraus, wer wir sein wollen und was uns gut tut. 

Alle Weichen auf dieser Reise führten uns genau zu diesem Punkt, an dem wir jetzt stehen: Vor Euch, mit diesem Blog!

Wir sind I & T und wir wollen über Dinge mit Gewicht schreiben. Wir sind eine runde Frau (I) und ein Mann (T), der runde Menschen bewundert und sein eigenes Körperideal zunehmend in Frage stellt. Wir leben gerade nicht an einem Ort und auch beruflich machen wir etwas komplett anderes. Vorerst bleiben wir hier anonym, vielleicht ändert sich das aber irgendwann. 

Was uns wichtig ist: Hier ist ein Safe Space, Bodyshaming hat hier genauso wenig Platz wie Rassismus, Homophobie oder sonstige Diskriminierung. Wir achten auf gendergerechte Sprache, wenn es uns mal nicht gelingt, danken wir Dir für Dein Feedback.

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