Author Archives: Tom

Dickwerden als Selbstermächtigung

Ja, es gibt Menschen, die freiwillig dick werden. Manche tun dies, weil sie in der Feedism-Community unterwegs sind. Andere, weil sie im Rahmen der Body Positivity-Bewegung die Gewichtszunahme als eine Form des Selbstausdrucks ansehen, die mit den Zielen der Fettakzeptanzbewegung übereinstimmt. Sie sehen ihren Körper als eine Leinwand, um ihre Individualität auszudrücken. Gleichzeitig fördern sie die Idee, dass alle Körpertypen Respekt und Bewunderung verdienen, unabhängig von gesellschaftlichen Standards. Und dann gibt es noch die, die zu beiden Gruppen gehören.

Dickwerden als Selbstermächtigung ist tatsächlich ein faszinierendes Konzept und reflektiert eine tiefere Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Normen und dem eigenen Körperbild. Hier sind einige Gedanken dazu:

1. Widerstand gegen gesellschaftliche Normen

Herausforderung der Schlankheitsideale: In unserer Gesellschaft gibt es einen starken Druck, schlank zu sein, der durch Medien, Mode und soziale Erwartungen verstärkt wird. Für einige Menschen kann das bewusste Zunehmen eine Form des Widerstands gegen diese Normen darstellen. Es ist ein Akt der Rebellion gegen die Idee, dass Schlankheit gleichbedeutend mit Schönheit oder Wert ist.

Selbstbestimmung: Durch das bewusste Dickwerden nehmen Menschen die Kontrolle über ihre Körper zurück. Sie entscheiden selbst, wie sie aussehen möchten, anstatt sich den von außen auferlegten Standards zu beugen. Diese Selbstbestimmung kann als eine kraftvolle Form der Selbstermächtigung gesehen werden.

2. Körperakzeptanz und Selbstliebe

Akzeptanz des eigenen Körpers: Dickwerden kann für manche Menschen auch ein Weg sein, ihren Körper so zu akzeptieren, wie er ist. Anstatt ständig zu kämpfen, um einem unerreichbaren Ideal zu entsprechen, entscheiden sie sich bewusst, ihren Körper so zu gestalten, wie es ihnen gefällt. Dies kann zu einem stärkeren Gefühl der Selbstliebe und Zufriedenheit führen.

Stärkung des Selbstwertgefühls: Indem sie sich dafür entscheiden, zuzunehmen, können Menschen ihr Selbstwertgefühl stärken. Sie zeigen, dass sie sich selbst genug schätzen, um ihren eigenen Wünschen und Bedürfnissen zu folgen, unabhängig davon, was andere denken.

3. Kulturelle und politische Dimension

Teil einer Bewegung: Das bewusste Zunehmen kann auch eine politische Dimension haben, insbesondere im Kontext der Fettakzeptanzbewegung. Es ist eine Art, sich mit anderen zu solidarisieren, die ähnliche Erfahrungen mit Diskriminierung und Stigmatisierung aufgrund ihres Gewichts gemacht haben. In diesem Sinne wird das Dickwerden zu einem kollektiven Akt der Ermächtigung.

Veränderung des Diskurses: Menschen, die bewusst zunehmen, tragen dazu bei, den Diskurs über Körpergröße und -form zu verändern. Sie fordern die Gesellschaft heraus, breitere Definitionen von Schönheit und Wert zu akzeptieren. Und nicht zuletzt leisten sie einen Beitrag, das Stigma zu reduzieren, das oft mit größerem Körpergewicht verbunden ist.

4. Persönliche Transformation

Neuentdeckung der eigenen Identität: Für viele Menschen kann der Prozess des Zunehmens auch eine Reise der Selbsterkenntnis und der Neuentdeckung der eigenen Identität sein. Es geht darum, herauszufinden, wer sie wirklich sind und was sie wollen, ohne den Einfluss äußerer Erwartungen. Dies kann zu einer tieferen, authentischeren Beziehung zu sich selbst führen.

Freude am Körperlichen: Schließlich kann das bewusste Zunehmen auch einfach eine Quelle körperlicher Freude sein. Es kann eine Möglichkeit sein, das Leben in all seinen Facetten zu genießen, einschließlich der Freude an gutem Essen und der körperlichen Fülle.

Fazit

Dickwerden als Selbstermächtigung ist ein Konzept, das die Kontrolle über den eigenen Körper und das eigene Leben betont. Es geht darum, sich gegen gesellschaftliche Normen zu stellen, den eigenen Körper zu akzeptieren und zu lieben, und möglicherweise sogar Teil einer größeren Bewegung für soziale Veränderung zu sein. Es ist ein kraftvoller Ausdruck von Selbstbestimmung und Widerstand, der die Art und Weise, wie wir über Körper und Identität denken, herausfordert und erweitert.

Übergewichtig und trotzdem gesund?

Übergewichtige haben es oft nicht leicht (was für ein Wortspiel!). Sie werden stigmatisiert und sehen sich mit vielen Vorurteilen konfrontiert. Aber ist Übergewicht wirklich so ungesund? Die Wissenschaft zeigt, dass die Wahrheit vielschichtiger ist und moderates Übergewicht sogar gesundheitliche Vorteile haben kann. Ein genauerer Blick lohnt sich.

Das Adipositas-Paradoxon: Mehr Pfunde, mehr Schutz?

Ein überraschendes Phänomen in der Forschung ist das sogenannte Adipositas-Paradoxon. Studien haben gezeigt, dass Menschen mit leichtem Übergewicht (BMI 25-29,9) in bestimmten Situationen besser dran sind als ihre schlankeren Mitmenschen. Besonders ältere Menschen und chronisch Kranke, wie Herzpatienten, profitieren oft von ein paar Extra-Pfunden. Ein bisschen mehr Körpergewicht scheint in diesen Fällen eine Art Schutzschild zu sein.

Metabolisch gesund: Mehr als nur Gewicht

Nicht jeder Übergewichtige ist automatisch ungesund. Es gibt viele Menschen, die trotz ein paar Kilos mehr auf den Hüften keine typischen gesundheitlichen Probleme wie hohen Blutdruck oder schlechte Cholesterinwerte haben. Diese Menschen nennt man „metabolisch gesund“. Für sie ist das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und andere gesundheitliche Probleme nicht höher als für Normalgewichtige. Gesundheit ist mehr als nur eine Zahl auf der Waage. Und: Übergewichtige, die regelmäßig Sport treiben, sind oft gesünder als normalgewichtige Couch-Potatoes. Bewegung verbessert die Fitness, hilft dabei, den Blutzucker zu kontrollieren und hält den Blutdruck in Schach. Und das Beste: Diese Vorteile gibt es unabhängig davon, wie viel man wiegt.

Studien sind manchmal schwer zu durchschauen. Menschen, die regelmäßig Sport treiben, haben oft auch andere gesunde Gewohnheiten. Sie ernähren sich besser, rauchen weniger und gehen bewusster mit ihrem Körper um. Auch genetische Faktoren spielen eine Rolle. Es ist also wichtig, die Ergebnisse solcher Studien mit Bedacht zu interpretieren, da wir hier auch Schattenkorrelationen sehen könnten.

Moderates Übergewicht kann in bestimmten Kontexten gesundheitliche Vorteile bieten, und regelmäßige Bewegung spielt eine entscheidende Rolle für die Gesundheit, unabhängig vom Körpergewicht. Es ist daher an der Zeit, die Stigmatisierung von Übergewichtigen in Arztpraxen zu beenden und eine ganzheitliche Sichtweise auf Gesundheit zu fördern. Jeder Mensch ist einzigartig, und es gibt viele Wege, gesund und glücklich zu sein.

Quellen:

Ein schöner Tag beginnt damit, sich daran zu erinnern: Der Wert eines Menschen hängt nicht von der Zahl auf der Waage ab.

Wrestling? Ernsthaft?

Nia Jax, Foto nach Creative Commons lizensiert, siehe https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Nia_Jax_-2018-02-04-_01.jpg

Nee, nicht wirklich. Aber spannend ist es ja irgendwie schon, dass in diesem „Sport“ tatsächlich verschiedene Körpertypen- und formen mitmischen dürfen. Und manchmal gewinnen sie, manchmal verlieren sie, kein Körpertyp spielt immer gleiche Rolle.

Nia Jax, die mittlerweile zwar etwas weniger geworden, aber immer noch kräftig ist, soll hier als eine der noch aktiven Wrestlerinnen zum Beispiel dienen. Weitere Beispiele sind Awesome Kong/Karma, Isis the Amazon, Nia Jax, Piper Niven, Jordynne Grace… und dann gibt es noch die andere Seite, Nikki Cross, Alexa Bliss, and Legit Leyla Hirsch… eher schmalere Körper, die dennoch auch gegen die massigen Kontrahentinnen gewinnen!

Wie gesagt, Wrestling ist nicht meins. Aber zumindest ein „Sport“ in den Medien, in dem auch normalere Frauen zu sehen sind.

Ist Lizzo eine Verräterin?

Lizzo. Adele. Rebel Wilson. Missy Elliot. America Ferrera. Melissa McCarthy. In Deutschland zum Beispiel auch die Betreiberin von Kurvenrausch. Alle haben abgenommen. Manche von ihnen sind richtig schlank geworden, zum Beispiel Adele. Lizzo ist immer noch rund, aber nicht mehr so, wie sie von der Plus Size Community verehrt wurde.

Zunächst einmal ganz deutlich: Lizzo ist keine Verräterin, und auch niemand anders aus dieser Liste ist es. Genau so wie es umgekehrt kein Verrat ist, wenn eine Fitness-Influencerin irgendwann kurviger wird. Es ist Lizzos Körper. Es ist Sophias Körper. Es ist Adeles Körper. Sie können damit tun, was sie wollen, und es geht uns nichts an. Auch wenn wir Lizzo gerne als Beispiel für eine fitte runde Frau vorzeigen wollen und sie „unserer Sache“ dienlich ist, darf Body Shaming in keine Richtung gehen: Weder von dünn nach dick, auch nicht von dick nach dünn, und auch nicht, wenn man immer dünn oder immer dick ist.

Wenn Adele sich dazu entscheidet, nicht mehr rund sein zu wollen, dann ist das ihr gutes Recht, auch wenn sich die Plus Size Community zum Teil betrogen fühlt, da sie Adele gerne als Beispiel für eine erfolgreiche runde Frau vereinnahmt hatten. Aber vielleicht wollte Adele diese Rolle gar nicht ausfüllen. Vielleicht ist jemand doch nicht so gerne dick. Und diese Zweifel sind ok. Die Entscheidung, etwas zu ändern, ebenso. Auch darf ein Mensch die eigene Meinung ändern.

Wahrscheinlich werden wir durch Ozempic & Co in nächster Zeit sehr viel mehr Verschlankungen sehen. Das könnte die Plus Size-Community, inklusive der Verehrer üppiger Formen, auf eine Belastungsprobe stellen. Allerdings kann es auch als eine Erweiterung des Spektrums an Körperbildern sein. Und auch bedeuten, dass es eben nicht nur „den dicken Menschen“ gibt, sondern Menschen, die unterschiedliche Körper in ihrem Leben haben. Und jeder Körper ist ok. Vielleicht wird Adele für immer dünn bleiben. Vielleicht wird Taylor Swift mal rund. Wer weiß es schon. Aber es ist immer eine individuelle Entscheidung. Und genau diese sollte immer gefeiert werden, auch wenn sie nicht der eigenen Präferenz entspricht.

Dicke tanzende Männer…

…in einem Musikvideo? Oh ja, auch das gibt es, nicht nur runde Frauen wie bei Trisha Paytas (wobei da auch ein runder Mann im Hintergrund tanzt). Es ist sowieso immer wieder erfrischend, runde Menschen tanzen zu sehen, vor allem bei Events, wo man es nicht erwarten würde. Heute also mal ein kleiner Blick in die musikalische Schatztruhe. Den Anfang macht eine Performance bei Saturday Night Life. Tatsächlich bin ich nicht ganz sicher, wie ernst das hier gemeint ist, aber zumindest ist das Thema dann auch mal bei einer der wichtigsten Shows in den US untergebracht:

Etwas bekannter ist Meghan Trainors „All about that bass“, in dem es um Body Positivity geht, nicht nur für Männer, sondern auch für Frauen. Leider kann man das Video hier nicht integrieren, aber man kann dem Link folgen zu YouTube.

Und dass es nicht nur tanzende runde Männer gibt, sondern auch solche, die sich selbst nicht zu ernst nehmen, wenn sie vors Mikro treten, diesen Beweis treten die Fat Boys an, hier mit den Beach Boys (das Video kann ich hier leider auch nicht einbinden). Natürlich könnte man auch die Wildecker Herzbuben hier aufführen, aber vermutlich meinen sie das doch ernst, was sie da auf der Bühne anstellen. Und tanzen kann man das nicht wirklich nennen, oder?

Weitere Vorschläge? Gerne in den Kommentaren 🙂

Barbie Ferreira und die 501

Alle reden von Barbie, aber neben der Barbie gibt es natürlich noch andere Barbies. Zum Beispiel Barbie Ferreira. Die kennt hierzulande kaum jemand. Sie war ganz früher ein American Apparel-Model, bis sie dann als Schauspielerin bekannter wurde. Dass sie mit ihrem etwas kräftigeren Körperbau die Jeans überhaupt, die 501, bewirbt, zeigt die Normalität, die Marken mittlerweile für normale Frauen einräumen können. Aber leider nicht immer tun.

Tanzen mit Plus Size?

Die SuperBowl Halftime Show 2022 war in aller Munde, Dr. Dre, Eminem, Snoop Dogg… jede Menge bekannte Namen. Ein bisschen Fat Shaming gab es auch hinterher, weil 50 Cent nicht mehr ganz so schlank war wie in seinen Videos damals. Aber was wahrscheinlich kaum jemandem aufgefallen ist: Es gab eine Gruppe von Tänzerinnen, die alle eher dem Plus Size-Bereich zugeordnet werden können:

Leider gibt es rein gar nichts über diese Truppe herauszufinden 🙁 Aber wann immer jemand mit etwas mehr Körpergewicht es wagt zu tanzen, wenn es nicht gerade der Super Bowl ist, dann ist das sogar eine Nachricht wert wie bei der Daily Mail.

Mut zur Sichtbarkeit: Theresas provokante Porträts in Hamburg-Altona

In Altona findet wie jedes Jahr die Hamburg Portfolio Review statt. Von mehreren Fotografen sind jeweils drei Bilder vertreten. Gleich das erste Bildertrio von Tatiana Ilina, direkt am stark frequentierten Stuhlmannbrunnen, provoziert. Sie zeigen Theresa, die mit Lipo-Lymphödem lebt und die unverhüllt und unapologetisch dargestellt wird. Ihre gewaltigen Oberschenkel, ein direktes Ergebnis ihrer Erkrankung, sind in voller Pracht zu sehen. Diese Bilder zwingen die Betrachter, ihre eigenen Vorstellungen von Schönheit zu hinterfragen und zu erweitern.

Tatiana Ilinas Fotografien sind mehr als visuelle Darstellungen. Sie sind Erzählungen von Theresas Mut, ihrer Stärke und ihrer Entschlossenheit, sich selbst zu lieben und anzunehmen, trotz der Herausforderungen, die das Lipo-Lymphödem mit sich bringt. In einer Welt, die oft von engen und einschränkenden Schönheitsidealen geprägt ist, stehen diese Bilder als kraftvolle Erinnerung dar, dass Schönheit in allen Formen und Größen existiert. Jedes Porträt von Theresa ist eine Einladung, über die konventionellen Grenzen hinauszuschauen und die Tiefe und Breite der Schönheit zu erkennen, die in jedem von uns existiert.

Mehr über Tatiana Ilina und die Bilder von Theresa aus der Serie „Rock your Beauty“ sind auf der Webseite der Fotografin zu finden.