Vor kurzem sah ich in der Fußgängerzone diese Werbung, und natürlich musste ich recherchieren, wer das Model ist. Sie heißt Enam und hatte ihre Sedcard bei der Agentur Anti-Agency, die auch über die Kampagne New Perfect berichtet. Enam hat auch ihren eigenen Instagram-Account, auf dem sie sich als Plus Size Advocate austobt.
Enam ist sehr rund. Und so gut es ist, dass verschiedene Körperformen in der Werbung gezeigt werden, und so attraktiv ich sie auch finde, manchmal habe ich den Eindruck, dass hier wie auch bei Gaultiers Kampagne mit Barbara Butch eher mit „Extremen“ gespielt werden soll anstatt etwas für die runde Welt zu tun. In Gaultiers Ästhetik sind es verschiedene andersartige Models, als wolle Gaultier mit einer Art Freakshow provozieren. In dieser Werbung von Marc Jones steht Enam allein da, was sicherlich eher als Statement zu verstehen ist. Doch frage ich mich, ob die „normale“ Frau, die weder Magermodel noch sehr rund ist, sondern irgendwas dazwischen, sich hier wiederfindet. Mir fehlen die Models, die die meisten Frauen repräsentieren, also Größe 38-42. Nun habe ich als Nicht-Frau hier eigentlich gar nichts zu melden. Daher sind meine Beobachtungen mit Vorsicht zu genießen.
In letzter Zeit sehe ich häufig Werbung von Calzedonia. Ich vermute, dass sich viele Frauen eher mit dieser Figur identifizieren können. Für mich ist das auf jeden Fall ein Hingucker. Die schlanke Kollegin finde ich 08/15, so sieht halt jedes Model aus (ohne sie hier jetzt dissen zu wollen, ich meine damit lediglich das, was wir gewohnt sind zu sehen). Natürlich könnte man jetzt diskutieren, muss wirklich jedes normalgewichtige Model auch einen vollen Busen haben? Und was wenn die Proportionen insgesamt mal anders sind? Dicker Hintern, schmaler Oberkörper? Aber zumindest ist hier ein Anfang getan. Auch Adidas wagt es neuerdings, ein normales Model im Badeanzug zu zeigen. Ich finde, dass hier Normalität gezeigt wird, und das ist irgendwie entspannend.
Die besonders runden Models haben neben der Provokation aber noch einen Nebeneffekt: Sie rufen die Bedenkenträger auf, sich zu äußern, zum Beispiel der Tagesspiegel, der es falsch findet, wenn sich Menschen in ihrer Fettleibigkeit einrichten, ausgelöst durch Plus Size Models wie Tess Holliday. Sicherlich wird von einer sehr runden Frau in der Werbung niemand sagen, „oh ja, wenn die so rund ist, dann kann ich es auch sein“, zumal es zigtausend Mal mehr Magermodels zu sehen gibt als sehr runde Frauen. Es geht nicht darum, extreme Fettleibigkeit zu verherrlichen. Aber darum, dass dies auch Körper sind, die es zu respektieren gilt, ohne gleich den Finger zu heben. Hat bei den Magermodels schließlich auch niemand getan, bis man gemerkt hat, dass dies junge Menschen in die Magersucht treibt. Ich bin aber nicht sicher, dass Models wie Enam oder Tess Holliday darüber hinaus etwas für die Mehrheit der Körper tun, die halt irgendwo in der Mitte sind.
Vor ein paar Jahren wurde eine Werbung mit Tess Holliday von Facebook gesperrt, weil ihr Körper nichts mehr mit Gesundheit zu tun hätte. Magermodels wurden nicht gesperrt. Ich wünsche mir mehr Normalität.