Size Acceptance und Body Positivity: Wo stehen wir wirklich?

In einer Welt, die von unrealistischen Schönheitsidealen und strengen Körpernormen geprägt ist, versucht die Size Acceptance-Bewegung Selbstakzeptanz für Menschen aller Körperformen und -größen zu fördern. In diesem Blogbeitrag werfen wir einen Blick auf die Geschichte der Size Acceptance-Bewegung und den aktuellen Stand in Deutschland.

Die Size Acceptance-Bewegung hat ihre Wurzeln in den 1960er Jahren in den Vereinigten Staaten. Seitdem hat sie sich zu einer mehr oder weniger globalen Bewegung entwickelt, die sich für die Akzeptanz und Gleichberechtigung von Menschen mit Über- und Mehrgewicht einsetzt.

Die Geschichte der Size Acceptance-Bewegung

Einer der wichtigsten Protagonist*Innen der Size Acceptance-Bewegung in den 60er Jahren war Bill Fabrey, der die National Association to Advance Fat Acceptance (NAAFA) gründete, als Resultat darauf, wie seine runde Frau behandelt wurde. Er las den Artikel „More people should be fat“ von Lew Louderback und schaffte es mit Hilfe von Louderback eine Gruppe von Gleichgesinnten zu versammeln. NAAFA stand übrigens zu Anfang noch für National Association to Aid Fat Americans. Ein Video über die Bewegung aus den 70er Jahren findet sich wie immer auf YouTube:

Die noch radikalere Gegenveranstaltung war der Fat Underground, von denen 1973 das Fat Liberation Manifesto verfasst wurde. In den 90ern wurde unter anderem The Body Positive gegründet, eine gemeinnützige Organisation, die Menschen dabei unterstützt, ein positives Selbstbild und eine gesunde Beziehung zu ihrem Körper aufzubauen. Sie bieten Workshops, Bildungsressourcen und eine unterstützende Gemeinschaft für Menschen jeden Alters, Geschlechts und jeder Körpergröße. Hier geht es also nicht nur um Fat Acceptance, sondern insgesamt darum, den eigenen Körper zu akzeptieren. Auf den Webseiten sind allerdings fast nur Frauen zu sehen, so als wäre dies kein Thema für Männer (oder Männer interessieren sich kaum dafür, was natürlich auch sein kann). Natürlich gibt es auch bei reddit ein Plus Size Support Forum mit wirklich interessanten Diskussionen, allerdings vor allem auf Englisch.

Size Acceptance und Body Positivity in Deutschland

Laut dem Statistischen Bundesamt sind in Deutschland etwa 67% der Männer und 53% der Frauen übergewichtig. Die Prävalenz von Adipositas ist in den letzten Jahren gestiegen, was die Notwendigkeit einer stärkeren Size Acceptance- und Body Positivity-Bewegung unterstreicht. In Deutschland war es allerdings zunächst nur der Verein Dicke e.V., der sich gegen die Diskrimierung gegen Dicke eingesetzt hat, aber vor wenigen Jahren aufgelöst wurde. Die Gesellschaft gegen Gewichtsdiskriminierung ist eine immer noch bestehende Alternative.

Interessanterweise sind in den deutschen Medien aber weniger diese Organisationen als vielmehr Influencer*Innnen und Aktivist*Innen, die sich für Körperakzeptanz und Selbstliebe einsetzen, präsent, zum Beispiel Caterina Pogorzelski und Silvana Denker. Sie nutzen ihre Plattformen, um auf Diskriminierung aufmerksam zu machen, persönliche Geschichten zu teilen und ihre Follower*Innen zu ermutigen, sich selbst und ihren Körper zu lieben. Sie möchten beide durch ihre Beiträge dazu auffordern, sich auf Gesundheit und Wohlbefinden zu konzentrieren, statt immer nur von Diäten und Gewichtsveränderung gesteuert zu werden.

Das bedeutet nicht, dass die Influencer die Vereine ersetzen können. Influencer schaffen es durch ihre Reichweite, Individuen zu beeinflussen, Vereine dagegen können durch ihre Gemeinschaft politischen Einfluss nehmen.

Aber wo stehen wir nun wirklich?

Eine der Herausforderungen für Bewegungen für Menschen mit Übergewicht, die Selbstakzeptanz fördern, ist die Tatsache, dass viele Übergewichtige unzufrieden mit ihrem Körpergewicht und Aussehen sind. Warum sollten sie also dafür kämpfen, angenommen zu werden, wenn sie sich selbst nicht annehmen können? Trotzdem ist genau das der Grund, warum solche Communities notwendig sind.

Es ist immens wichtig, unabhängig von Gewicht und Aussehen, ein gesundes Verhältnis zum Körper zu entwickeln und gleichzeitig die Bedeutung von Gesundheit und Wohlbefinden zu steigern, die nicht zwangsläufig mit Gewichtsreduktion verbunden wird. Eine Body Positivity Bewegung dient als Safe Space für mehrgewichtige Menschen, die in ihrer jeweiligen Biographie meist schon mindestens einmal Bodyshaming und Fat Phobie ausgesetzt waren. Für Betroffene von Diskriminierung kann es sehr heilsam sein, angenommen zu werden und den Fokus weg von Gewicht und Körper hin zu Selbstakzeptanz zu verändern.

Dennoch lässt sich nicht verleugnen, dass wir in all den Jahren nicht viel weiter gekommen sind. Fortschritte gibt es genau durch diese Influencer, die einen anderen Weg zu jungen Menschen finden. Ein Beispiel ist hier auch die Eiskunstläuferin Zoe Flindris, die sich nicht mehr wie früher dem Schlankheitswahn aussetzt und dennoch supersportlich ist. Damit tut sie wahrscheinlich mehr für die Body Positivity-Bewegung als jede Vereinssitzung. Und dennoch ist es noch ein weiter Weg zu gehen.

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