Nein, wir fangen hier jetzt nicht an, über Cholesterin zu schreiben und über gute, weil gesunde Fette zu referieren und sie mit den bösen, weil ungesunden Fetten zu vergleichen. Es geht, wie soll es anders sein, über Körperformen und ihre gesellschaftliche Bewertung.
Fangen wir mit dem Guten an: Werbung, Mode und die generelle öffentliche Wahrnehmung wird vielfältiger, es gehört fast zur Normalität, Größendiversität anzubieten, sei es bei Fast-Fashion- oder bei Luxuslabels. In der aktuellen Septemberausgabe der deutschen Vogue ziert DAS Plus-Size-Supermodel Ashley Graham das Cover und stellt die berechtigte Frage: „Wann kann ein „Plus Size“-Model endlich einfach Model sein?“
Und genau hier liegt das Problem, das ich immer und immer wieder sehe: Wenn „Plus-Size“-Models gezeigt werden, sind sie in den allermeisten Fällen zwar kurviger als ihre Size-Zero-Kolleg*Innen, jedoch immer normschön. Sie sind die Form von Plus-Size, auf das sich alle irgendwie einigen können: Die Oma am Kaffeetisch, die seit 1953 auf Diät ist, die Mittdreißigerin, die sich mit „so einer Größe 44“ irgendwie arrangieren könnte, der Mann der gerne vor sich herträgt, dass „Frauen Kurven haben müssen, nur Hunde spielen mit Knochen“, das Modelabel, das mit dem Trend geht und dann halt doch mal eine größere Kollektion anbietet. Ich könnte diese Liste noch fortsetzen, alle haben eines gemeinsam: Alle denken, nun sei alles erledigt und verstehen nicht, wo jetzt schon wieder das Problem liegen könnte. JETZT kann sich doch wirklich niemand beschweren, mit dieser nervigen Body Positivity. Spoiler: Es ist nicht genug!
Ashley Graham und ihre Kolleg*Innen sind wunderschöne Frauen und sie alle wären noch vor ein paar Jahren gar nicht gebucht worden, keine Frage. Aber auch sie bilden nicht die sonstige runde Gesellschaft ab. Denn sie haben ihr Fett an den vermeintlich richtigen Stellen. Üppige Brüste, großer Po, einen weichen, aber bitte nicht überhängenden Bauch. Runde Schenkel, aber natürlich fest und trainiert. Eine schmale Taille und in Shaping-Wäsche unter dem Kleid sieht man auch erstmal keine Röllchen, wo sie nicht hingehören, sondern nur eine einwandfreie „Hourglass-Silhouette“. Diese Frauen verkörpern das Bild der Frau, die das Leben genießt, sich mal einen Burger gönnt, aber dennoch immer fuckable und vorzeigbar bleibt, Sport treibt und sich natürlich nicht gehen lässt. Sie sind „richtig“ fett, aber selten richtig fett.
Dicke Menschen sehen nicht so aus. Es gibt Menschen mit riesigen Hängebäuchen, Menschen mit riesigem Oberkörper und stecknadeldünnen Beinen, riesige Brüste, unabhängig vom Geschlecht. Fette Menschen haben Rückenspeck, der sich nicht in ein Mieder zwingen lässt, Schenkel die schmerzhaft aneinander reiben, Beine mit Wassereinlagerungen. Es gibt manchmal nicht nur ein Doppelkinn, sondern gleich mehrere, Arme, die von Dehnungsstreifen übersäht sind und fette Nackenrollen. Kurzum: Hier sitzt das Fett an den vermeintlich falschen Stellen. Das möchte niemand sehen, „sowas“ bleibt besser unsichtbar und gut versteckt, nicht wahr?
Es geht nicht darum, dass man alles gleich schön finden muss, aber es geht um Sichtbarkeit. Um Ehrlichkeit: Wir zeigen jetzt einen normschönen Körper, weil wir unsere Produkte gut verkaufen möchten. Oder aber: Wir zeigen unsere Produkte an und mit wirklich vielfältigen Körpern. Die man als Kund*In nicht erstrebenswert finden muss, die aber Menschen zeigt, wie sie wirklich aussehen. Die unsere Wahrnehmung wieder grade biegt, das Auge entspannt und beruhigt: Hey, ich sehe auch so aus, wenn ich in den Spiegel schaue. Wenn alle Körper in der öffentlichen Wahrnehmung stattfinden, können wir ihnen auch wirklich vorurteilsfrei begegnen. Denn alle Körper dürfen erstmal eines: Sein!
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