Was Barbie gelernt hat, lernt Ken nimmermehr: Warum der Barbie-Film ein feministisches Manifest ist

Wenn ein Film das Ego von fragilen Männern herausfordert und die sich darüber im Internet auskotzen, wie böse der Feminismus im Allgemeinen und der Film im Speziellen ist, dann muss ich den selbstverständlich sehen.

Und so war ich natürlich vor einigen Wochen im Barbie-Film. Ich hatte vorher zwar den Hype mitbekommen, mich allerdings nicht so genau damit befasst, sodass ich recht unvoreingenommen, bewaffnet mit Popcorn und Limo, im Kinosessel saß, bereit für ein wirklich unterhaltsames Spektakel.

Worum geht’s?

Barbie führt mit allen Barbies ein wunderbares Leben in Barbieland. Jeder Tag ist der perfekte, beste Tag. Alle Barbies leben in bunten Häusern, haben tolle Jobs, erreichen alles, was sie möchten. Alle Kens haben Jobs wie „Beach“ und sind schmückendes Beiwerk in Barbieland. Doch irgendwas stimmt nicht, Dinge gehen schief und die Hauptbarbie („Stereotypical Barbie“) (Margot Robbie) findet heraus, dass das Mädchen, das in der echten Welt mit ihr spielt, dafür verantwortlich ist. Und so reist sie in ebendiese Welt und versucht, sie zu finden. Ken (Ryan Gosling) folgt ihr und beide kommen in der Realität an, die sie so nicht erwartet haben: In Barbieland denken nämlich alle, dass die Macht von Barbie es geschafft hat, dass Frauen die Oberhand auch in der echten Welt haben und nicht Männer, wie sie schmerzlich feststellen müssen. Ken hingehen bemerkt seine untergeordnete Rolle und möchte nun die Rollen auch in Barbieland umdrehen, was es zu verhindert gilt.

Zwischendrin werden die Szenen mit Liedern untermalt, die den ganzen Film noch schriller, bunter und lauter machen und an ein Musical erinnern. Von „I’m just Ken“ hatte ich noch tagelang einen Ohrwurm.

Und wie vielfältig war der Film wirklich?

Barbies kommen im Film in verschiedenen Körperformen und Hautfarben vor, sind aber meistens dennoch normschön. Es gibt auch dicke Barbies, z.B. gespielt von Sharon Rooney, aber sehr fette Barbies tauchen nicht auf. Schade, hier hätte es definitiv noch Potenzial gegeben, noch mehr Körpervielfalt zu zeigen. Auch Barbies mit Behinderungen fielen mir nicht auf.

Bei den Kens sieht es ähnlich aus.

Oh, und dann spielt Allan noch eine wichtige Rolle, ihn gibt es genau einmal. Ein in Vergessenheit geratener Charakter, der ursprünglich als der beste Freund von Ken mit der besten Freundin von Barbie verbandelt war. Im Film taucht er immer wieder auf und hadert unter den ganzen Kens mit seiner Rolle, hilft den Barbies bei der Rückeroberung von Barbieland.

„Weird Barbie“

Wir alle hatten sie: die Barbie, deren Haare der Kinderschere zum Opfer fielen, die mit Filzstiften bemalt war, die ständig mit seltsam abstehenden Gliedmaßen irgendwo herumlag und nichts mehr von der faszinierenden Feenhaftigkeit hatte, weswegen fast alle Kinder irgendwann dem Barbie-Hype verfallen sind. Im Film ist das „Weird Barbie“. Sie trägt flache Schuhe (Well done, Birkenstock!), hat bunte Haare und lebt etwas abseits im quietschbunten Barbieland. Sie ist schlau, geheimnisvoll und hilft Barbie letztlich, die Probleme in Barbieland zu lösen. Im Großen und Ganzen ähnelt die Story der aus anderen Filmen: Der Weirdo ist doch ganz nützlich und ist Schlüssel für die Katharsis, Happy End, hurra. Aber Weird Barbie wird nicht herabgewürdigt, im Gegenteil. Ihre Stärke, ihr Humor und ihre guten Einfälle werden liebevoll dargestellt, Barbie entschuldigt sich zwischendurch auch dafür, „dass wir Dich „Weird Barbie“ genannt haben!“.

Product Placement

Der Film ist von Mattel, also dem Spielzeughersteller, dem Barbie gehört. Das stimmte mich anfangs skeptisch, aber die Firma wird auch im Film ordentlich durch den Kakao gezogen. Die Selbstironie geht auf. Im Film tauchen immer wieder Marken auf, die natürlich dann ihren großen Auftritt haben. Die bereits oben angesprochenen Öko-Latschen (die nun eine Luxusmarke werden sollen!), Luxushandtaschen, Autos, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Und selbstverständlich ist der ganze Film eine Referenz an Barbieprodukte, immer wenn die beliebtesten auf der Leinwand auftauchten, ging ein wohlwollendes, erinnerndes „Ahhhh“ durch die Kinoreihen, weil man entweder so glücklich war und bspw. das Barbieboot besaß oder immer davon träumte, den Horse Trailer irgendwann mal unterm Weihnachtsbaum zu finden. Generell ist der Film ein kluger Marketingstreich, das kann man neidlos so anerkennen.

Kritik am Film:

Natürlich sind die meisten Puppen normschön, sehr dünn und auch „Curvy Barbie“ lässt wirkliche Rundungen vermissen. Diese Kritik wird angerissen, allerdings nicht aufgelöst. Ich glaube, das ist weder möglich noch gewollt, denn die Faszination für diese Puppe ist ungebrochen und dürfte durch den Film neuen Aufschwung bekommen. Es schwingt bei einigen Szenen mit, dass es sich eben um eine perfekte Puppe handelt, die aber immer eine Puppe bleibt. Die Überspitzung ist gleichzeitig die Auseinandersetzung mit dem propagierten Schönheitsideal, das man im Film annimmt und aufs Korn nimmt. So bekommt Barbie beispielsweise plötzlich Cellulitis, kann nicht mehr auf High Heels laufen und hat nach dem Aufwachen Mundgeruch. Auch die barbiepinke Welt bleibt genau das: Pink! Das Markenzeichen hat sich mit diesem Film ein Denkmal gesetzt. Ob man hier genderneutrale Farben erwarten kann, wage ich zu bezweifeln, genau wie die Frage, ob nicht auch Jungs mit Barbie spielen können. Im Film wird das Spiel von Frauen dominiert, sei es im Storytelling oder bei Referenzen auf die Wirklichkeit. Ob das ein feministischer Akt ist oder die fehlende Auseinandersetzung mit eigenen Gender Bias kann hinterfragt werden.

Und was regt die Männer nun so auf?

Die Kens agieren dümmlich, kommen nicht zum Zug, sind eher schmückendes Beiwerk und können auch bei den Barbies nicht landen. Als sie das ändern wollen, stellen sie sich ebenfalls nicht sehr geschickt an. Kenland ist kein einladender Ort. Auch in der echten Welt werden die Manager von Mattel als sehr einfältig dargestellt. Das schmerzt fragile Männer-Egos, die sonst nicht sehen, wie Frauen in anderen Filmen wegkommen. Dort sind die Rollen oft umgekehrt, dümmliche Blondies vs. potente Männer, die ersteren noch in Ruhe die Welt erklären können. In Barbieland können Barbies sein, was sie wollen, immer wieder wird auf real verkaufte Puppen referenziert, Barbie war schließlich schon Astronautin (1965, 4 Jahre vor dem ersten Menschen auf dem Mond!), Richterin, Ärztin und Innenarchitektin, wovon sie auch ihre Beinprothese nicht abhielt. Obwohl dieser Zustand natürlich (leider!) fernab der Realität ist, scheint es manche Männer bis ins Mark zu erschüttern, dass eine solche Utopie überhaupt gedacht wird. Und was machen diese Männer dann? Sie würdigen Frauen und deren Errungenschaften herab. Der Film sei ja ohnehin seicht und blöd, für den parallel laufenden Oppenheimer seien Frauen vermutlich sowieso zu dumm. Man möchte ihre fragilen Egos in Watte packen, fragen, wer Ihnen so weh getan hat und ihnen die Tränen wegwischen: „Hey, beruhig Dich! You are Kenough!“

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