Wie Fettfeindlichkeit aussieht – Katharina Bill

Wir alle haben bei Fettfeindlichkeit meistens schnell die Begriffe wie „Bodyshaming“ im Kopf. Ein großes Wort, fast eine leere Worthülse, die mehrgewichtige Menschen aus ihren Erfahrungen meist schnell mit traurigen Anekdoten füllen können. Bodyshaming ist viel mehr als die meisten schlanken Menschen sich das vermutlich vorstellen, und es findet nicht nur in den Umkleiden dieser Welt statt.

Die Künstlerin, Performern und Fettaktivistin Katharina Bill hat im Februar auf Instagram einen großen Beitrag und eine sehr informative Story zu Fettfeindlichkeit gemacht. Anlass waren Beiträge anderer Journalist*Innen (u.a. Resche Fernsehen, NDR Hamburg, Deutschlandfunk Kultur), die genau das waren: Fettfeindlich.

Es folgte eine Umfrage, wie Fettfeindlichkeit aussehen kann. Die Antworten waren traurig, beschämend und sehr alarmierend. Alle Antworten und sehr viel gute Lektüre zum Thema findet man bei Katharina auf Instagram, unter Kat.as.trophe gibts viel zu schauen und zu lernen. Wir fassen die Antworten zusammen:

Fettfeindlichkeit ist:

  • wenn man froh ist, selbst nicht dick zu sein, da dicke Menschen per se bemitleidenswert seien.
  • wenn man insgeheim (oder manchmal auch sehr offen) denkt, als dünne Person automatisch mehr wert zu sein. Damit verbunden ist auch oft die Anspruchshaltung, es sei daher folgerichtig, bessere Jobs zu bekommen.
  • wenn man ÜBER dicke Menschen spricht, statt MIT ihnen. Sollte eh klar sein, wieso, oder?
  • wenn Adipositas immer direkt mit fehlender Gesundheit gleichgesetzt wird und automatisch die „Belastungen des Gesundheitssystems“ anzubringen, wenn es um Gleichberechtigung von Dicken und Dünnen geht. Nur mal so: Menschen, die regelmäßig Tabak oder Alkohol konsumieren wird wohl nicht mit erhobener Augenbraue bei jedem Zug bzw. jedem Schluck vorgehalten, wie unsolidarisch ihr Lebensstil sei. Im Gegenteil, soziale Zusammenkünfte verstärken ja oft noch den Druck, Tabak oder Alkohol zu konsumieren. Diese Doppelmoral begründet sich in fettfeindlichem Denken.
  • die wohl unsichtbarste Diskriminierungsform, trotzdem können sich dicke Menschen nicht verstecken.
  • wenn dicke Menschen angestarrt werden, in der Menge auffallen und gleichzeitig als „mutig“ bezeichnet werden, wenn sie banale Dinge tun, wie bspw. ein kurzes Shirt oder einen Bikini zu tragen. Das ist nicht mutig, wenn es ein dünner Körper wäre. Dicke Körper existieren, dürfen (knappe) Bademode tragen, Modetrends folgen oder ein riesiges Spaghettieis futtern, ohne, dass es eines ungefragten Kommentars bedarf.
  • wenn die strukturelle Ungleichheit nicht anerkannt wird.
  • zu denken oder sogar zu verbalisieren, dass Dicke selbst schuld daran seien, wenn sie diskriminiert, gehasst oder abgewertet werden. Die Annahme fußt darauf, dass dicke Menschen ja einfach abnehmen könnten, dann würden sie auch nicht mehr diskriminiert werden.
  • wenn fettfeindliche Witze gemacht oder darüber gelacht wird
  • wenn Menschen in dicken Körpern mit Eigenschaften belegt, obwohl man sie nicht kennt: faul, undiszipliniert, zügellos, langsam, unsportlich, usw.
  • die Annahme, dass man ja fett sein dürfe, aber eben nur „schön fett“, insbesondere als Frau. Insbesondere weiblich gelesene Dicke müssen proportioniert, gepflegt, hübsch und vorteilhaft zurecht gemacht sein, auch darf man im besten Fall das Fett an der „richtigen“ Stelle haben. Dazu passt natürlich auch das gern gewählte Nicht-Kompliment „Du hast doch so ein schönes Gesicht!“ Ach, und der Rest nicht? Dann schau halt weg!
  • wenn Klamottengrößen nur bis L in den Geschäften geführt werden. Viele Marken haben ein sehr restriktives Größenangebot. Das führt dazu, dass Dicke systematisch aus den Geschäften vertrieben werden und damit auch aus den Innenstädten. Wenn es dort keine Klamotten zu kaufen sind, gibt es auch weniger Gründe, in die Stadt zu gehen. Manche Marken führen größere Größen nur noch online, nicht mehr in den Läden. Wenn ihr es doch verkauft, dann doch bitte überall. Wir würden gerne shoppen gehen. Noch nie drüber nachgedacht? Glückwunsch, dann wahrscheinlich, weil Du es nie musstest.
  • wenn man in Gesundheitsfragen und beim Arztbesuch nicht ernst genommen wird, weil alle gesundheitlichen Anliegen mit dem Gewicht in Kontext gebracht werden.
  • wenn dicke Menschen (insbesondere Frauen) beim Dating fetishized, ignoriert, beleidigt, benutzt oder „mal ausprobiert“ werden. Natürlich sollen wir dann aber auch unglaublich dankbar sein, weil wir sonst ja niemanden „abbekommen“.
  • wenn man als dicker Mensch in der Familie diskriminiert, vorgeführt oder sogar heimlich fotografiert wird. Übrigens: Du darfst gehen. Auch an Weihnachten, dem richtigen Geburtstag oder sonstigen vermeintlichen Pflichtprogrammen. DU.DARFST.GEHEN!
  • wenn Dicke viel mehr leisten zu müssen, um vielleicht die gleichen Chancen wie schlanke Menschen zu haben.
  • wenn Sitze in öffentlichen Verkehrsmitteln winzig sind und durch Armlehnen noch verkleinert werden.
  • wenn Schlank- und Dünnsein mit einem guten Gesundheitszustand gleichgesetzt wird. Ich kenne sehr viele dünne Menschen, deren Gesundheitszustand und Lebenswandel ist unfassbar ungesund. Würde aber niemand monieren, denn sie sind ja dünn.
  • Wenn Toiletten sehr klein sind und auf öffentlichen Toiletten die Türen immer nach innen aufgehen.
  • eigentlich Misogynie in ihrer unterdrückendsten Form, weil es Frauen*körper kontrollieren soll.
  • wenn Dicken Existenz und Daseinsberechtigung abgesprochen/verweigert wird.
  • wenn Fett sein immer als ein zu überwindender Zustand begriffen wird. Wenn man als Dicker Mensch nichts dafür tut, abzunehmen, muss ja was schief laufen.
  • wenn die Frauenärztin rät, besser nicht schwanger zu werden, wegen des höherem BMIs
  • tödlich!

Ich habe den letzten Punkt gewusst gewählt, denn aufgrund der mannigfaltigen Fettfeindlichkeit wird dicken Menschen nicht nur im Alltag das Leben erschwert, sondern auch bei relevanten Bereichen wie Beruf, Gesundheit und mentale Verfassung. Wenn ein dicker Mensch eher Gefahr läuft, einen höhenbezahlten Job nicht zu bekommen, erhöht das im schlimmsten Fall die Armutsgefahr. Beim Arzt nicht richtig behandelt zu werden und mit „Dann nehmen sie halt mal ab!“ abgespeist zu werden, kann lebensbedrohlich werden. Insbesondere, weil es nicht die Bereitschaft steigert, überhaupt zu Vorsorgeuntersuchungen zu gehen. Die Spirale nach unten arbeitet gegen uns Dicke und das zu ändern wird ein langer Weg. Nichtsdestotrotz ermutigen mich Menschen wie Katharina Bill, die den Finger in die Wunde legen, nicht klein beigeben und zeigen: Wir sind nicht allein, wir sind richtig, wir existieren und wenn wir das immer wieder laut kund tun, dann haben wir eine Chance, etwas zu ändern!

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